Statistik

Barrierefreiheit als Herausforderung der Banken

Der Trend zur Digitalisierung in den Banken ist ungebrochen. Die Art, wie wir mit Banken interagieren, ändert sich drastisch. Die Interaktion verlagert sich ins Internet und auf die Smartphones, persönliche Gespräche finden immer seltener statt. Obwohl Menschen mit Beeinträchtigungen hierbei vor neue Herausforderungen gestellt werden, findet Barrierefreiheit in den Banken weiterhin kaum Beachtung.

Barrierefreiheit bedeutet, dass beeinträchtigte Menschen Gebäude, Gegenstände und Services im Internet unter Verwendung von Hilfsmittel im gleichen Umfang wie nicht beeinträchtige Menschen nutzen können. Bei Webseiten und Apps sind die Kernaspekte, dass Menschen diese wahrnehmen und damit interagieren können. Wenn daher ein Sinn oder eine motorische Fähigkeit nur teilweise oder gar nicht genutzt werden kann, muss sie durch eine andere ersetzt werden. Beispielsweise ersetzen blinde Menschen das fehlende Sehvermögen durch den Hör- oder Tastsinn, um sich so ein Bild von der Umgebung zu machen. Da jedoch der Tastsinn im Digitalen wenig weiterhilft, sind sie auf auditive Beschreibungen der Webseite oder App durch sog. Screenreader angewiesen. Screenreader sind Anwendungen, die auf einem Computer oder Smartphone installiert werden können oder schon vorinstalliert sind und den Bildschirminhalt vorlesen. Screenreader gehören ebenso wie beispielsweise Eye Tracking, Untertitel oder Bildschirmvergrößerung, zu den sog. „assistiven Technologien“. Dieser Begriff umfasst Hard- und Software, die von beeinträchtigten Menschen genutzt werden, um mit Computern oder Smartphones zu interagieren. Doch die Existenz der assistiven Technologien alleine resultiert noch nicht in einer barrierefreien Webseite, oft müssen diese durch die Entwickler explizit unterstützt werden.

Diese Unterstützung ist jedoch eher selten vorhanden, so dass Menschen mit Beeinträchtigungen auf verschiedene Probleme stoßen. Ein prägnantes Beispiel im Online‑Banking ist die Kontoübersicht, also die Übersicht über alle Zahlungsausgänge und -eingänge in Tabellen‑ oder Listenform. Für Menschen mit visueller Beeinträchtigung und besonders Blindheit stellt die Strukturierung als Tabelle oder Liste oft eine Herausforderung dar. Gerade Tabellen sind visuell zwar gut zu erfassen, über einen Screenreader ist es jedoch schwieriger, die Beziehungen zwischen Spalten und Zeilen auditiv auszudrücken. Auch eine rein visuelle Unterscheidung zwischen Einnahmen und Ausgaben – z. B. nur über Farben oder Einrückung – ist problematisch, weil der Screenreader dies nicht auslesen kann. Um einen Screenreader umfangreich zu unterstützen, müssen solche Informationen mithilfe von Texten oder Metadaten im Code verankert werden.

Etwas anders gestalten sich die Herausforderungen für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, sei es eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Schwierigkeiten beim Verständnis von komplexen Zusammenhängen. Für sie sind einfache, visuell klar gegliederte Übersichten wichtig, damit sie sich nicht überfordert fühlen. Auch die Sprache sollte dabei prägnant eingesetzt werden.

Diese und weitere Regeln für eine gute Umsetzung von Barrierefreiheit sind in den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG, aktuelle Version 2.1) festgehalten. Die WCAG umfassen insgesamt 73 Richtlinien mit Erläuterungen und Lösungsansätzen für barrierefreie Webseiten. Viele dieser Richtlinien lassen sich auch auf Desktop- und Mobilanwendungen übertragen, was besonders auch im Kontext der immer weiter verbreiteten Banking-Apps relevant ist. Doch diese Regeln sind längst nicht für alle verpflichtend. Gesetzlich gefordert wird Barrierefreiheit in Deutschland momentan nur von öffentlichen Stellen des Bundes, z. B. Ministerien. Diese müssen die Richtlinien der WCAG zu einem großen Teil umsetzen. Allerdings ändert sich die Gesetzeslage im Sommer 2025: dann tritt der European Accessibility Act (EAA) in Kraft. Der EAA schreibt unter anderem vor, dass insbesondere Banken und Finanzinstitute, die Verkehrsbranche und der Onlinehandel Hard- und Software barrierefrei zu gestalten haben. Das heißt, dass Barrierefreiheit in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Thema bei der Entwicklung von Banking-Apps und Webseiten werden wird und viel Innovationspotential bietet.

Innovationspotential liegt dabei nicht nur in der Implementierung von Barrierefreiheit sondern auch in den Testtools. Barrierefreiheit zu testen ist noch immer aufwendig, da eine große Bandbreite an Beeinträchtigungen berücksichtigt werden muss und sich die meisten davon nur schwer simulieren oder gar automatisch testen lassen. Viele Testtools für Barrierefreiheit verlassen sich daher auf manuelle Tätigkeiten. Jedoch ist auch hier ein Trend zur Automatisierung zu beobachten, der auch durch die steigende Nachfrage nochmal mehr Auftrieb erhalten wird.

Ansprechpartner: Lena Kociemba, Tonia Schwarze

Das S&N Invent Marketing-Team

Ihre Ansprechpartner für alle Fragen rund um unsere Themen und Veröffentlichungen

Barbara Buthmann

Barbara Buthmann
Marketing

Nicole Heyne

Nicole Heyne
Marketing